1995Gründung von Familie, Werkstatt und Bildhaueratelier in Berg am Starnberger See. Seitdem seßhaft.
1995Meisterschule für das Schreinerhandwerk, München.
1993 - 1995Anstellung an der TU München. Leitung der Schreinerei am Lehrstuhl für Ergonomie.
1991 - 1993Charterreisen als Skipper auf der Pukuri im Mittelmeer und Atlantik. Erste Treibholzbilder.
1989 - 1991Bau des Hochseekatamarans „Pukuri“ in Lübeck.
1985 - 1988Ausbildung zum Holzbootsbauer, Bootswerft Glas.
1983 - 1985Weltreise, Asien, Australien, Süd und Nordamerika.
1982Windsurflehrer in Italien.
1979 - 1981Fachoberschule für Gestaltung, München.
1962geboren in München.

Kreuzigung mit Kettensäge

für Hans Panschar

Whoooam! Ein Getöse füllt das Fussballstadion. Hans hat die Kettensäge angeworfen. Die Zuschauer, die im Grünwalder Stadion auf den Beginn einer eigenwilligen Oper über Karl Valentin warten, halten sich die Ohren zu. Hans Panschar, der Bildhauer, hatte den Auftrag bekommen, die Ouvertüre für diese Oper zu „komponieren“. Also warf er sein benzingetriebenes Arbeitsgerät an, das für ihn bedeutet, was für Bob Ross („The Joy of Painting“) der Spachtel ist oder für Michelangelo („David“) der Meißel. Binnen weniger Minuten zaubert Hans unter dem Lärm seines Brachialwerkzeugs aus dem rohen Baumstamm einen mannsgroßen Holzlöffel. Das Ding „Löffel“ aber ist ein poetisches Bildnis des Menschen Valentin. Hatte doch der völlig verarmte Nationalpoet Karl Valentin am Ende seines Lebens vergeblich versucht, beim Bäcker einen selbst geschnitzten Holzlöffel gegen eine Semmel einzutauschen.

Auch Semmeln hat Hans Panschar schon zu Kunstwerken vertauscht. Als er 2010 in der Münchner „Art Bakery“ „Artist in Residence“ war, hat er sie mit Flammenwerfern zur dunklen Skulptur konserviert. Und wenn er in den zufälligen Formen des Semmelteiges einen Fischkopf erkannte, hat er diesen Fischkopfsemmeln listig einen hölzernen Fischleib hinzugefügt und dieses Werk aus Teig und Holz als „Fischsemmel“ an die Wand der Galerie gehängt. Das Publikum begriff - wie es bei Hans Panschar oft vorkommt - sofort: Gleich dutzendfach wollten die Vernissagengäste die valentinesken Kleinskulpturen kaufen. Viele Künstler hätten an dieser Stelle die Serienproduktion begonnen. Hans, der sich eine gesunde Skepsis gegen zu schnelle Wirkung bewahrt hat, erklärte diese Objekte hingegen sofort als „eigentlich unverkäuflich“.

Das waren die Anekdoten, es gibt zu ihnen natürlich auch ein Werk, das bleibt: Denn laut geschnitzte Löffel und vergängliche Semmeln sind nicht die „großen“ Themen das Bildhauers Hans Panschar, der sich gerne lang an wenigen, einfachen Formen abarbeitet. Wenn er - was er gerne tut - abstrakte Formen schafft, dann formt er den Baumstamm nicht zu etwas, was dieser nie war, sondern er gestaltet oft (Achtung Kettensäge!) eine leere Form in das Holz hinein. Was dann Skulptur wird, ist das, was nicht mehr da ist: Ein Loch, ein Durchblick, eine Höhle für die Kunst inmitten des gewachsenen Holzes.

Das glückliche Grinsen, das typische Kennzeichen des durchschnittlichen Betrachters einer Panschar-Skulptur, entzündet sich meist an seinen figürlichen Werken. Hans bleibt dabei: er sagt, er würde sich der Darstellung der menschlichen Figur prinzipiell verweigern. Er bilde lieber ab, was der Mensch gebildet hat. Hier irrt der Künstler: Denn so wie ihm ein Löffel zum Bildnis Karl Valentins gerät, so hat jedes Objekt, das Hans Panschar dem Holz entlockt, ein eigenes Leben. Das heißt: Panschar beschränkt sich in seiner Arbeit zwar auf Objekte, die der Mensch gebaut hat, um in der feindlichen Welt zu überleben oder um es sich in ihr „heimisch“ zu machen ... Hans schnitzt gern Dinge, die nur mittelbar zeigen, dass da ein Mensch ist: Hans macht Häuser, Bücher, Boote und immer wieder Stühle. Wobei allerdings die Häuser, Bücher, Boote und vor allem die Stühle des Hans Panschar stets so lebendig wirken, als wären sie Individuen, als würden sie nur einen Moment lang für den Menschen, der sie gerade betrachtet, still halten.

Besonders der scheinbar so einfachen, archaischen Form des Stuhles entlockt Hans Panschar ganze Pandämonien des menschlichen Charakters. Ja, die Stühle des Hans Panschar können mit ihren vier Beinen, der Sitzfläche und der Lehne lachen, laufen und auch leiden: „Kreuzigung“ heißt dann auch das Werk, mit dem sich der Bildhauer Panschar so weit wie noch nie der menschlichen Figur genähert hat. Panschars „Kreuzigung“ besteht nicht aus einem Kruzifix, sondern natürlich aus einem Stuhl. Er hängt Mitleid erregend und schlaff von der Wand und hat offensichtlich gerade alles Leid der Welt auf sich genommen.

Dr. Andreas Ammer